Verschleiert und geheimnisvoll habe ich die Ruine des Turmes auf dem Land von Torrevelilla wahrgenommen. Immer wieder hat er sich verhüllt, hatte nicht gefunden werden wollen. Dank der Leute des Dorfes hat sich mir seine Geschichte in kleinen Bruchstücken erhellt. Der grosse Rest ist meiner Phantasie entsprungen. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Einwohnern sind zufällig. Ich bin tief in die Geschichte des spanischen Bürgerkrieges eingedrungen, habe mich bewegen lassen von der Intensität, der Hoffnung und Gewalt auf beiden Seiten, von persönlichen Schicksalen und so weiss ich: Es hätte sich so zugetragen haben können. Die vielen Jahre von Francos Herrschaft und auch noch danach lag ein Schleier über der Geschichte. «Transición» – Übergang, so wurde es genannt. Verordnetes Schweigen.
Daran durfte nicht gerührt werden, zum scheinbaren Wohle
des Ganzen. Darunter schwelten die Feuer, klafften die Risse.
Zu meinem Erstaunen ist während der vier Jahre des Schreibens
an diesem Roman die katalanische Frage vehement aufgebrochen,
und damit auch die Altlasten des Bürgerkrieges und seiner weitreichenden Folgen. Vieles wurde und wird jetzt gesagt und eingeklagt. Die Risse werden deutlich, gehen mitten durch Familien und Dörfer. Und, jetzt kann über manches geredet und getrauert werden, verscharrte Leichen werden geborgen, metaphorisch wie auch ganz real, vorerst durch private Initiativen. Noch gibt es keine annehmbare Lösung. Meine Widmung
gilt der Zukunft, in der nicht mehr verschleiernd geschwiegen,
noch polemisch geredet wird, sondern vor Allem zugehört.
Dieses Innehalten und Lauschen brauchen wir alle, nicht nur in Spanien.
Marianne Götze